Burnout – der Schuldige ist schnell gefunden!
„Seit dem ich hier arbeiten muss, gar keine mehr!“ ist die oft gehörte Antwort mancher Teilnehmer unserer Trainings auf die Frage nach ihren Hobbies. Zunächst ist hier also gar nicht die Rede von Burnout. Und diese Antwort lässt sich sowohl provozierend, als auch als Hilfeschrei interpretieren. Ich lasse sie heute erst einmal so stehen. Aber dann wird in der Pause weiter diskutiert – über steigende Anforderungen am Arbeitsplatz, zunehmender Konkurrenzkampf, den „unfähigen“ Chef und die daraus resultierende schlechte Stimmung. Der Stress am Arbeitsplatz würde immer größer.
Kein Wunder, wenn Burnouts, also das sich ausgebrannt fühlen, und manche andere, anerkannte psychische Erkrankung deutlich zunehmen. Der Schuldige ist scheinbar ebenso schnell gefunden. Es ist der unmenschliche Arbeitgeber, die Firma, der Chef und Vorgesetzte und seine Forderungen und Ziele, mit denen er die Mitarbeiter traktiert.
Entsteht ein Burnout nur durch Arbeit?
Nur, auch Wikipedia weiß: Das Burnout-Syndrom ist nicht als Krankheit anerkannt, sondern ein Problem der Lebensbewältigung. Und die Betonung liegt hier auf „Leben“ und nicht auf „Arbeit“. In dieselbe Richtung bewegt sich ein weiterer, gern missverstandener Begriff: Die „Work-Life-Balance“! Kurzsichtige betrachten hier das Verhältnis zwischen Sklaverei und Freizeitspaß. Also – „Wie viel Zeit verschwende ich, weil ich ja zur Arbeit gehen muss?“ und „Wie viel Zeit bleibt mir, um die schönen Dinge des Lebens zu tun?“ Die Menschen gehen dabei davon aus, das „Work“ etwas anderes sei, als „Life“. Also Arbeit gehöre nicht zum Leben, und deshalb müsse dort etwas ausbalanciert werden. Arbeit ist meist zuviel da und Leben immer zu wenig! Diese Sichtweise nenne ich eher einen Work-Life-Bullshit!
Keineswegs leugnen lässt sich, dass stressbedingte Krankheiten zunehmen. Stress – wie immer wir ihn auch definieren – gilt vielfach letztendlich als Auslöser für Unwohlsein, Unzufriedenheit und Krankheit. Nehmen wir doch jetzt einfach mal an, dass Stress – ähnlich wie ein Burnout – ein Problem der Lebensbewältigung sei! Was würde das konkret bedeuten?
Die Zeit ist wohl am gerechtesten verteilt!
Unsere uns zur Verfügung stehende (Lebens-) Zeit ist das vielleicht am gerechtesten verteilte Gut auf dieser Welt. Dem Klugen und dem Dummen, dem Schnellen und dem Langsamen, dem Jungen und dem Alten – allen stehen genau 24 Stunden täglich zur Verfügung. In der Woche sind das 168 Stunden. Davon sollten wir pro Tag ca. 8 Stunden schlafen, um gesund zu bleiben, das sind 56 Stunden. Es bleiben also 112 Stunden „wache“ Zeit. Bei einer, sagen wir mal, 40 Stunden Woche, haben wir also immer noch 72 Stunden für die freie Gestaltung der Zeit übrig. Anders betrachtet: Wir haben fast doppelt soviel Freizeit, wie Arbeitszeit. Es bleiben uns also 72 Stunden, dem Burnout zu entgehen.
Macht uns die Freizeit krank?
Kann aller Arbeitsstress wirklich so groß sein, einen Menschen krank zu machen? Ist der Stress im Beruf der einzige Grund für die deutliche Zunahme „berufsbedingter“ Krankheiten? Oder ist es eher der eigene, bewusst oder unbewusst verantwortungslose Umgang mit seiner großen Freizeit? Für viele Menschen – nicht nur Gewerkschaften und Verbände – ist es leicht, dem Arbeitgeber alle Schuld in die Schuhe zu schieben. Und es ist schon gar nicht opportun den Betroffenen selbst und seine eigene Unfähigkeit, die Freizeit und Freiheit zu gestalten, als Grund auszumachen. Aber vor diesem Hintergrund würde die manchmal geforderte Verringerung der Wochenarbeitszeit eher zu noch mehr Stress führen. Vielleicht sollte daher die Arbeitszeit angehoben werden, z.B. auf 45 Stunden? Die so belastende Arbeit würde auf 5 Stunden mehr pro Woche verteilt. Das würde dann für manche Arbeitnehmer rund eine Stunde weniger Stress pro Tag bedeuten!
Weniger Stress durch längere Arbeitszeiten?
Was sich hier ironisch anhören mag, ist durchaus ernst gemeint! Wer seine Freizeit wesentlich damit verbringt, im Internet zu surfen, ständig am Handy oder Tablett-PC für Telefonate, SMS, WhatsApp oder E-Mails erreichbar zu sein, auf z.B. Facebook oder Twitter „social networkt“, am PC oder der Gamekonsole spielt, sich vom Fernsehprogramm berieseln lässt oder sonst wie „abhängt“, kann sich nicht erholen bzw. stresst sich selbst noch zusätzlich.
Und ja – die Belastungen am Arbeitsplatz sind gestiegen. Die Belastungen in der Freizeit aber auch. Vielleicht ist der Freizeitstress sogar noch deutlicher ausgeprägt, weil subtiler und unbewusster, als allgemein vermutet wird. Aber welche Belastung ist wohl schneller und leichter reduzier- oder veränderbar: Die des Arbeitsplatzes, die ja nur rund 1/3 der zur Verfügung stehenden, wachen Zeit ausmacht oder der eigene Freizeitstress, der immerhin rein rechnerisch 2/3 der Zeit in Anspruch nimmt?
Volker Skibbe
Der Author ist Trainer und Coach von Führungskräften und Mitarbeitern namhafter Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie erreichen ihn unter coach@field-coach.de